Lagerbestand: Definition, Berechnung und Optimierung für Unternehmen

Christina Wendt

Das Wichtigste im Überblick

  • Der Lagerbestand umfasst alle Waren, Rohstoffe und Materialien, die dein Unternehmen zu einem bestimmten Zeitpunkt vorrätig hält
  • Ein optimierter Lagerbestand balanciert Kapitalbindung und Liquidität mit ausreichender Lieferbereitschaft
  • Mit Lagerkennzahlen wie Umschlagshäufigkeit und durchschnittlicher Lagerdauer steuerst du deinen Bestand effektiv
  • Methoden wie ABC-XYZ-Analyse helfen bei der systematischen Bestandsoptimierung
  • Moderne Technologien und KI-basierte Lösungen revolutionieren das Lagerbestandsmanagement

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Was ist Lagerbestand? Definition und betriebswirtschaftliche Bedeutung

Der Lagerbestand bezeichnet die Gesamtheit aller Waren, Rohstoffe und Materialien, die dein Unternehmen zu einem bestimmten Zeitpunkt vorrätig hält. In der Bilanz erscheint er als Teil des Umlaufvermögens und bindet oft erhebliches Kapital.

Die betriebswirtschaftliche Bedeutung des Lagerbestands ist zweifach:

  1. Ökonomische Bedeutung: Lagerbestände binden Kapital, verursachen Lagerkosten (Raum, Personal, Versicherung, Schwund) und beeinflussen direkt die Liquidität deines Unternehmens.

  2. Operative Bedeutung: Lagerbestände sichern deine Lieferbereitschaft, puffern Nachfrageschwankungen ab und ermöglichen reibungslose Produktions- und Verkaufsprozesse.

  3. Ein effektives Bestandsmanagement sucht stets die optimale Balance: So viel Lagerbestand wie nötig für eine hohe Lieferbereitschaft, aber so wenig wie möglich zur Minimierung der Kapitalbindung.Wie mir ein Logistikleiter kürzlich erklärte: "Die größte Herausforderung ist nicht, Waren zu lagern – sondern zu wissen, welche Waren in welcher Menge zu welchem Zeitpunkt gelagert werden sollten."

Arten von Lagerbeständen und ihre Funktion im Unternehmen

Arten von Lagerbeständen und ihre Funktion im Unternehmen

Je nach Unternehmenstyp sind verschiedene Lagerbestandsarten relevant:

Lagerbestandsart

Beschreibung

Typische Herausforderungen

Rohstoffe

Eingangsmaterialien für die Fertigung

Preisschwankungen, Verderblichkeit

Hilfs- und Betriebsstoffe

Indirekte Materialien für die Produktion

Vielzahl an Artikeln, geringe Einzelwerte

Halbfertige Erzeugnisse

Produkte im Fertigungsprozess

Kapazitätsengpässe, Koordination

Fertige Erzeugnisse

Verkaufsfertige Produkte

Nachfrageschwankungen, Veraltung

Handelsware

Zugekaufte Produkte für den Handel

Abhängigkeit von Lieferanten

Lagerbestände erfüllen in deinem Unternehmen verschiedene Funktionen:

  1. Pufferfunktion: Ausgleich zeitlicher Unterschiede zwischen Beschaffung, Produktion und Absatz

  2. Sicherheitsfunktion: Absicherung gegen Nachfrageschwankungen und Lieferengpässe

  3. Spekulationsfunktion: Ausnutzung günstiger Einkaufskonditionen

  4. Prozessunterstützung: Gewährleistung reibungsloser Produktionsabläufe

  5. Sortimentsbildung: Bereitstellung eines umfassenden Produktangebots

Lagerbestandsorganisation in der Praxis

In der Praxis werden Lagerbestände oft nach ihrer Funktion und Verfügbarkeit strukturiert:

  • B2C-Lager: Optimiert für Endkundenversand mit schnellen Kommissionierprozessen

  • B2B-Lager: Für größere Bestellmengen und Palettenlagerung

  • Griffzone vs. Nachschublager: Die Griffzone enthält schnell zugängliche Artikel für tägliche Kommissionierung, während das Nachschublager als Reserve dient

  • Sperrlager: Für Retouren oder qualitätsgeprüfte Waren

  • Verbrauchslager: Aktiver Lagerbereich für den täglichen Bedarf

Diese differenzierte Organisation steigert die Effizienz erheblich und reduziert Laufwege und Suchzeiten.

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Wichtige Kennzahlen zur Bewertung und Steuerung des Lagerbestands

Um deinen Lagerbestand effektiv zu steuern, sind diese Lagerkennzahlen entscheidend:

Kennzahl

Formel

Bedeutung

Lagerumschlagshäufigkeit

Jahresumsatz zu Kosten / Durchschnittlicher Lagerbestand

Gibt an, wie oft der Lagerbestand im Jahr umgeschlagen wird

Durchschnittliche Lagerdauer

365 / Umschlagshäufigkeit

Durchschnittliche Verweildauer der Waren im Lager

Lieferbereitschaftsgrad

(Sofort gelieferte Aufträge / Gesamtaufträge) × 100%

Misst die Fähigkeit, Kundenaufträge direkt zu bedienen

Optimaler Lagerbestand

Abhängig von Nachfrage, Beschaffungszeit und Sicherheitsfaktoren

Balance zwischen Kosten und Servicegrad

Bestandsreichweite

Lagerbestand / Durchschnittlicher Tagesbedarf

Zeitraum, für den der Bestand ausreicht

Weitere wichtige Steuerungsgrößen sind:

  • Mindestbestand: Die Menge, die nicht unterschritten werden sollte, um Lieferengpässe zu vermeiden

  • Meldebestand: Signalisiert den Zeitpunkt für eine Nachbestellung

  • Höchstbestand: Maximale Bestandsmenge, die aus wirtschaftlichen Gründen nicht überschritten werden sollte

  • Sicherheitsbestand: Puffer gegen Unsicherheiten in Nachfrage und Lieferzeit

Praktische Bestandsüberwachung

Moderne Lagerbestandsmanagement-Software bietet dir:

  • Echtzeit-Bestandsanzeige: Aktueller Bestand je Artikel, unterteilt in verfügbaren und reservierten Bestand

  • Lagerbestandsberechnung: Monetäre Bewertung (Menge × Einstandspreis)

  • Differenzierte Bestandsführung: Mit Chargen- und MHD-Management für verderbliche Waren

  • Bestandsbewegungsprotokoll: Dokumentation aller Ein- und Auslagerungen

Die Kosten-Nutzen-Analyse der Lagerhaltung: Kapitalbindung vs. Lieferbereitschaft

Bei der Gestaltung deines optimalen Lagerbestands musst du stets die Kosten gegen den Nutzen abwägen:

Kosten des Lagerbestands:

Nutzen des Lagerbestands:

  • Hohe Lieferbereitschaft und Kundenzufriedenheit

  • Pufferung von Nachfrage- und Lieferschwankungen

  • Mengenrabatte bei der Beschaffung

  • Unabhängigkeit von kurzfristigen Marktveränderungen

Die Herausforderung besteht darin, das richtige Gleichgewicht zu finden – zu viel Lagerbestand bindet unnötig Kapital, zu wenig führt zu Lieferengpässen und unzufriedenen Kund:innen.

"Wie kann ich meinen Lagerbestand optimieren und trotzdem lieferfähig bleiben?" Diese Frage stellen sich viele Unternehmer:innen. Die Antwort liegt in einer differenzierten Bestandsstrategie, die auf soliden Daten und den richtigen Methoden basiert.

Methoden und Strategien zur Lagerbestandsoptimierung

Für ein optimales Bestandsmanagement stehen verschiedene Methoden zur Verfügung:

ABC-XYZ-Analyse

Die ABC-Analyse klassifiziert Artikel nach ihrem Wertanteil:

  • A-Artikel: 80% des Gesamtwerts, etwa 20% der Artikelanzahl

  • B-Artikel: 15% des Gesamtwerts, etwa 30% der Artikelanzahl

  • C-Artikel: 5% des Gesamtwerts, etwa 50% der Artikelanzahl

Die XYZ-Analyse ergänzt diese Betrachtung um die Vorhersagegenauigkeit des Verbrauchs:

  • X-Artikel: Hohe Vorhersagegenauigkeit, konstanter Verbrauch

  • Y-Artikel: Mittlere Vorhersagegenauigkeit, leicht schwankender Verbrauch

  • Z-Artikel: Geringe Vorhersagegenauigkeit, stark schwankender Verbrauch

Die Kombination beider Analysen ermöglicht eine differenzierte Bestandsstrategie:

  • AX-Artikel: Just-in-Time-Beschaffung, geringe Sicherheitsbestände

  • CZ-Artikel: Höhere Sicherheitsbestände oder alternative Beschaffungsstrategien

Just-in-Time (JIT) und Kanban

Just-in-Time zielt darauf ab, Materialien genau dann zu liefern, wenn sie benötigt werden, um Lagerbestände zu minimieren. Kanban ist ein Steuerungssystem, das diesen Prozess durch visuelle Signale unterstützt.

Economic Order Quantity (EOQ)

Die optimale Bestellmenge (EOQ) minimiert die Summe aus Bestell- und Lagerhaltungskosten:

EOQ = √(2 × Jahresbedarf × Bestellkosten / (Einstandspreis × Lagerkostensatz))

Verbrauchs- und bedarfsorientierte Disposition

Je nach Artikeleigenschaften kann entweder eine verbrauchsorientierte (basierend auf historischen Daten) oder eine bedarfsorientierte Disposition (basierend auf konkreten Kundenaufträgen) sinnvoll sein.

"Welche Methode ist für mein Unternehmen am besten geeignet?" Diese Frage hängt von deiner Branche, deiner Unternehmensgröße und den spezifischen Eigenschaften deiner Produkte ab. Oft ist eine Kombination verschiedener Methoden am effektivsten.

Digitalisierung im Lagerbestandsmanagement: Software und Technologien

Moderne Technologien revolutionieren das Lagerbestandsmanagement:

  • ERP-Systeme: Zentrales Rückgrat mit integrierten Bestandsmanagement-Funktionen

  • Warehouse Management Systeme (WMS): Spezialisierte Software für komplexe Lageranforderungen

  • Barcode-Scanning und RFID: Präzise Bestandserfassung und -verfolgung

  • Internet of Things (IoT): Automatische Bestandsüberwachung durch Sensoren

  • KI und Machine Learning: Präzise Bedarfsprognosen und autonome Bestelloptimierung

  • Mobile Anwendungen: Ortsunabhängiger Zugriff auf Bestandsdaten

"Ich möchte eine Lagerbestandssoftware einführen, aber welche ist die richtige für mich?" Bei dieser Entscheidung solltest du folgende Faktoren berücksichtigen:

  • Unternehmensgröße und Komplexität deiner Lagerbestände

  • Integration mit bestehenden Systemen (Buchhaltung, Webshop, etc.)

  • Skalierbarkeit und Anpassungsfähigkeit

  • Benutzerfreundlichkeit und Schulungsaufwand

  • Preis-Leistungs-Verhältnis und TCO (Total Cost of Ownership)

Branchenspezifische Herausforderungen und Lösungsansätze

Verschiedene Branchen haben spezifische Anforderungen an das Lagerbestandsmanagement:

Handel und E-Commerce:

  • Herausforderung: Saisonalität und Trends, Multi-Channel-Management

  • Lösung: Dynamische Bestandsplanung, integrierte Channel-Management-Systeme

Produktion:

  • Herausforderung: Komplexe Stücklisten, lange Vorlaufzeiten bei Rohstoffen

  • Lösung: Material Requirements Planning (MRP), Just-in-Time-Konzepte

Lebensmittel und Pharma:

  • Herausforderung: Haltbarkeit, Chargenverfolgung, regulatorische Anforderungen

  • Lösung: FEFO-Prinzip (First Expired, First Out), Chargen- und MHD-Management

Ersatzteillogistik:

  • Herausforderung: Kritikalität, lange Lebensdauer, geringe Umschlaghäufigkeit

  • Lösung: Kritikalitätsanalyse, risikoorientierte Bestandsführung

"Wie organisiere ich den Lagerbestand für mein E-Commerce-Geschäft optimal?" Bei der Beantwortung solcher branchenspezifischen Fragen ist es wichtig, die besonderen Anforderungen und Rahmenbedingungen zu berücksichtigen.

Nachhaltige Lagerbestandsführung gewinnt zunehmend an Bedeutung:

  1. Ressourcenschonung: Vermeidung von Überbeständen und damit verbundener Verschwendung

  2. Energieeffizienz: Optimierung von Lagerräumen und -prozessen zur Energieeinsparung

  3. Kreislaufwirtschaft: Integration von Retourenmanagement und Wiederaufbereitung

  4. CO2-Reduktion: Optimierte Bestellzyklen und regionale Beschaffung zur Minimierung von Transportwegen

Zukünftige Trends im Lagerbestandsmanagement:

  • Predictive Analytics: Vorhersage von Nachfragespitzen und -einbrüchen mit KI

  • Automatisierte Lager: Roboter und autonome Systeme für die Bestandsverwaltung

  • Blockchain-Technologie: Lückenlose Transparenz und Rückverfolgbarkeit in der Lieferkette

  • Digitale Zwillinge: Virtuelle Abbilder des Lagers für Simulation und Optimierung

  • Augmented Reality: Unterstützung bei Kommissionierung und Inventur

"Was sind die wichtigsten Zukunftstrends im Lagerbestandsmanagement, auf die ich mich vorbereiten sollte?" Diese Frage stellen sich viele zukunftsorientierte Manager:innen. Die Antwort liegt in der intelligenten Kombination von Technologie und bewährten Methoden, angepasst an deine spezifischen Anforderungen.

Praktisches Beispiel: Die initiale Lagerbestandserfassung

Ein kritischer Punkt ist die initiale Bestandserfassung bei der Implementierung eines neuen Systems:

  1. Stichtagsplanung: Festlegung eines konkreten Stichtags für die Inventur

  2. Vorbereitung: Planung der Zählung und Vorbereitung der Erfassungsmethoden

  3. Durchführung: Erfassung aller Artikel mit aktuellen Mengen, MHD und Chargen

  4. Systemerfassung: Nutzung der "Einlagerung" statt der Inventurfunktion für die Ersterfassung

Aus der Praxis wissen wir, dass für die initiale Bestandserfassung in ERP-Systemen oft die Einlagerungsfunktion besser geeignet ist als die Inventurfunktion, besonders bei der Erfassung von MHD und Chargen.

"Angenommen, wir implementieren ein neues Lagerbestandssystem, welche Herausforderungen könnten auftreten?" Typische Herausforderungen sind:

  • Datenqualität und -migration

  • Anpassung der Prozesse und Arbeitsabläufe

  • Mitarbeiterakzeptanz und Schulungsbedarf

  • Integration mit bestehenden Systemen

Häufig gestellte Fragen

Wie berechne ich den optimalen Lagerbestand für mein Unternehmen?
Der optimale Lagerbestand hängt von deinem angestrebten Servicegrad, den Beschaffungszeiten und der Nachfragestruktur ab. Verwende die EOQ-Formel als Ausgangspunkt und berücksichtige die ABC-XYZ-Klassifikation für eine differenzierte Bestandsstrategie.

Wie kann ich meinen durchschnittlichen Lagerbestand reduzieren, ohne die Lieferbereitschaft zu gefährden?
Schlüsselstrategien sind verbesserte Prognosegenauigkeit, verkürzte Beschaffungszeiten, häufigere kleinere Bestellungen und differenzierte Bestandsstrategien. Unsere Kunden erreichen damit Bestandsreduktionen von 20-30% bei gleichbleibender Lieferbereitschaft.

Was sind die wichtigsten Kennzahlen, die ich für mein Lagerbestandsmanagement im Blick behalten sollte?
Die wichtigsten Kennzahlen sind die Umschlagshäufigkeit, die durchschnittliche Lagerdauer, der Lieferbereitschaftsgrad und die Bestandsreichweite. Diese Kennzahlen geben dir einen umfassenden Überblick über die Effizienz und Leistungsfähigkeit deines Lagerbestands.

Wie unterscheiden sich die Anforderungen an das Lagerbestandsmanagement in verschiedenen Branchen?
Im Handel steht oft die Sortimentsbreite und schnelle Verfügbarkeit im Vordergrund, während in der Produktion die Prozesssicherheit entscheidend ist. Im Lebensmittelbereich sind Haltbarkeit und Chargenmanagement kritisch, bei Ersatzteilen die langfristige Verfügbarkeit auch selten nachgefragter Teile.

Welche Tools und Technologien sind am besten geeignet, um meinen Lagerbestand zu optimieren?
Die Wahl hängt von deiner Unternehmensgröße und -komplexität ab. Für kleine Unternehmen können spezialisierte Lagerbestandssoftware oder Cloud-Lösungen ausreichen, während größere Unternehmen oft integrierte ERP-Systeme mit erweiterten Funktionen benötigen. KI-basierte Prognosetools sind besonders wertvoll bei komplexen, schwankenden Bedarfsstrukturen.

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Christina Wendt
Christina begeistert sich für die SaaS-Welt und innovative B2B-Themen. Mit ihrer Leidenschaft für klare, nutzerorientierte Inhalte schafft sie es, komplexe Themen greifbar zu machen und Unternehmen in ihrer digitalen Transformation zu begleiten.