Chaotische Lagerhaltung: Unordnung mit System

Wie die chaotische Lagerhaltung funktioniert, warum sie sich in der Praxis bewährt und ob es auch für dich Zeit ist, auf chaotische Zustände umzusatteln, klären wir in diesem Beitrag.

Lagerregale in einer Lagerhalle gefüllt mit Kartons verschiedener Größen
Elisabeth Büschler
LagerverwaltungERP

Wahrscheinlich ist auch dir schon einmal der Ausdruck Chaostheorie untergekommen. Dieses Teilgebiet der Physik untersucht den Grenzbereich zwischen vorhersagbaren Vorgängen und dem unberechenbaren Durcheinander – und bezeichnet damit genau das, was die chaotische Lagerhaltung nicht ist.

Denn auch wenn der Name das Gegenteil vermuten lässt, verbergen sich hinter dieser Lagermethode ein ausgeklügeltes System, planvolles Vorgehen und zahlreiche Vorteile für die Lagerlogistik.

Wie die chaotische Lagerhaltung funktioniert, warum sie sich in der Praxis bewährt und ob es auch für dich Zeit ist, auf chaotische Zustände umzusatteln, klären wir in diesem Beitrag. Professionelle Unterstützung erhalten wir dabei vom Logistikberater unserer Partneragentur digitalXL, Martin Großmann, der als gelernter Lagerlogistiker und Wirtschaftsfachwirt regelmäßig dafür sorgt, dass die Lager seiner Kund:innen noch effizienter arbeiten.

Wann ist eine chaotische Lagerhaltung sinnvoll?

Wenn du dir eine effiziente Raumnutzung wünschst, dein Lager groß und damit auch übersichtlich ist und du die Anschaffung eines ERP-Systems planst oder bereits über eines verfügst, ist die chaotische Lagerhaltung für dich sinnvoll.

Definition: Was ist ein chaotisches Lager?

Die chaotische Lagerhaltung bezeichnet ein Lagerhaltungssystem, bei dem Waren, anders als bei einem Festplatzlager, kein fester Lagerplatz zugeordnet wird, sondern Güter an einer beliebigen, gerade unbelegten Stelle eingelagert werden.

In der Praxis kannst du dir den Unterschied zwischen einem Festplatzlager und einem chaotischen Lager also so vorstellen:

Das Festplatzlager besitzt eine exakte Vorgabe, in welches Regal welche Ware einzusortieren ist. Produkt A kommt immer in Regal A, Produkt B in Regal B – völlig unabhängig davon, wie voll oder leer die Lagerplätze momentan sind; allerdings immer mit System: Ähnliche Waren lagern meist beieinander, häufig umgeschlagene Produkte sind schnell erreichbar.

Das chaotische Lager wiederum besitzt diese starren Vorgaben nicht. Wenn in Regal A bei ihrer Anlieferung gerade Platz für Ware B ist, wird diese dort auch eingelagert und ihr Lagerplatz dynamisch vermerkt. Deshalb – und weil die Worte chaotisches Lager oft doch Assoziationen an ein großes Durcheinander wecken – heißt das System auch Dynamisches Lager oder Flexible Einlagerung.

Aber was bringt es? Denn momentan klingt die Methode tatsächlich doch eher nach einem ziemlichen Wirrwarr.

Lesetipp: Was hinter der automatisierten Logistik steckt, erfährst du hier!

Benefits: Die Vorteile der chaotischen Lagerhaltung

Wieso das Dynamische Lager dem Festplatzlager oft deutlich überlegen ist, wird schnell offensichtlich, wenn wir uns Lagerprozesse im Arbeitsalltag vor Augen führen:

Bessere Auslastung

In einem Lager, in dem jeder freie Platz für jede Ware zur Verfügung steht, ergibt sich schnell eine wesentlich bessere Nutzung der Lagerfläche. Denn stell dir vor, dein Kassenschlager ist ausverkauft und derzeit nicht mehr lieferbar. In einem Festplatzlager bleibt der Platz ganz vorne in deiner Halle trotzdem gesperrt und darf – zumindest nicht ohne eine größere Umstrukturierung – nicht für deine anderen Schnelldreher verwendet werden. Bis zu 60 Prozent der Lagerkapazität bleiben so ungenutzt. In einem Dynamischen Lager wird der freie Raum einfach verwendet.

Schnellere Einlagerung neuer Waren

Wenn du dein Sortiment erweiterst oder saisonbedingt umstellst, hat das chaotische Lager ebenfalls die Nase vorne. In einem Festplatzlager müsste jedem neuen Artikel zunächst manuell ein eigener Lagerplatz zugewiesen werden; eventuell sind hierfür sogar zunächst die Umlagerung oder Auflösung alter Warenbestände erforderlich. In einem dynamischen Lager kommt die neue Ware einfach dorthin, wo gerade Platz ist.

Kürzere Einarbeitungszeit für neue Mitarbeiter:innen

In statischen Lagern verhält es sich häufig so, dass neue Mitarbeitende mit einem Lagerplan ausgestattet werden und von da an auf sich selbst gestellt sind. Lagerplätze müssen sie erst langwierig memorieren oder immer wieder nachschlagen, was gerade in großen Lagern oft viel Zeit kostet. Dynamische Lager arbeiten dagegen immer computergestützt. Die Software lotst den PickPacker zum gesuchten Lagerort.

Lesetipp: Mit der passenden Lagerverwaltungssoftware behältst du den Überblick über dein Lager und optimierst deine Logistikprozesse.

Schutz vor Ausfällen

Kommt es in einem Festplatzlager zu einer sogenannten Gassenstörung, etwa, weil der Regalförderer eines Hochregals den Dienst quittiert hat, ist die Not meist groß. Denn da die zu kommissionierende Ware sich eben nur an diesem einen Platz befindet, kann sie erstmal nicht mehr ausgelagert werden. In einem chaotischen Lager stehen die Chancen gut, dass der gewünschte Artikel sich auch an einem weiteren Platz des Lagers befindet. Lieferverzögerungen wird so effizient vorgebeugt.

„Chaotische Lagerhaltung heißt absolute Flexibilität.“

Schattenseiten: Die Nachteile der chaotischen Lagerhaltung

Natürlich hat ein System nie nur ausschließlich Vorteile. Irgendwas ist bekanntlich immer, auch bei einem chaotischen Lager. Allerdings drehen sich die Nachteile hier allesamt um einen einzigen Punkt:

Softwaresteuerung ist zwingend erforderlich

Ohne eine Software, die die Lagerplätze zuweist und verwaltet, bricht in einem chaotischen Lager tatsächlich schnell Chaos aus. Von Zettel und Stift oder handgeführten Excel-Listen musst du dich unbedingt verabschieden. Wir empfehlen dir den Einsatz eines leistungsstarken ERP-Systems, dass dein Lager überwacht und steuert, Warenbestände automatisch synchronisiert und die Ein- und Auslagerung mittels Barcodescanner unterstützt.

Falsche Einlagerung schwer zu korrigieren

Warum der Barcodescanner? Weil in einem chaotischen Lager eine falsche Einlagerung meist unentdeckt bleibt. Denn während in einem Statischen Lager sofort auffällt, wenn sich der Rasierapparat zwischen die Pudelmützen verirrt hat, gibt es in einem Dynamischen Lager keinen Grund anzunehmen, dass hier etwas falsch eingelagert wurde. Die Einlagerung mittels Scanner vermeidet solche Patzer und verhindert, dass Produkte auf Nimmerwiedersehen in deinem Lager verschwinden.

Lesetipp: Welche Option ist die bessere - Eigenlager oder Fremdlager? Unser Experte Nico Wengler klärt auf.

Gefahr durch EDV-Probleme

Sollte die Software einmal streiken, bedeutet die Abhängigkeit des Lagers vom System natürlich den totalen Ausfall. Ohne Zugriff auf Bestandsdaten und Lagerorte sind deine Pick-Packer:innen aufgeschmissen. Aber machen wir uns nichts vor: Jeder andere Teil eines Unternehmens ist ebenfalls von der Software abhängig. Wenn die Kundendatenbank crasht, ist Holland auch in Not. Durch regelmäßige Backups kannst du diesem Problem allerdings leicht vorbeugen.

Unoptimiertes Lager

Zuletzt werden all diejenigen, die immer nach dem Haar in der Suppe suchen, folgendes einwenden: „Was ist, wenn meine am schnellsten zu erreichenden Lagerplätze durch Ladenhüter blockiert sind und meine schnelldrehenden Produkte ganz hinten landen? So kommt es zu langen Laufwegen für meine Kommissionierer:innen!“ Stimmt, aber auch hier hilft die entsprechende Software: Ein gutes System erlaubt dir, die Stammdaten deiner Artikel anzupassen und zum Beispiel nach Umschlagshäufigkeit zu sortieren. Lagerplatz und damit Laufwege können dann automatisch berücksichtigt und optimiert werden.

„Ohne die richtige Software ist ein chaotisches Lager nicht denkbar.”


⁠Systemfrage: Für wen lohnt sich das chaotische Lager?

Offensichtlich ist die Dynamische Lagerhaltung gegenüber dem Festplatzlager deutlich im Vorteil. Kein Wunder also, dass sie bei Branchenriesen wie Amazon, Zalando und Co. ausnahmslos zum Einsatz kommt.

Aber solltest auch du auf ein chaotisches Lager setzen? Nach Meinung unseres Experten Martin Großmann lässt sich diese Frage pauschal nicht beantworten. Wie so oft spielen zu viele Faktoren eine Rolle: Wie groß und ausdifferenziert ist dein Sortiment? Wie viele Sendungen kommissionierst du täglich? Wie ist es um die räumliche Beschaffenheit deines Lagers bestellt?

Den einen richtigen Lösungsweg gibt es nicht. Tatsächlich können umsatzstarke Unternehmen, die nur sehr wenige, hochpreisige Produkte anbieten, mit einem Festplatzlager durchaus erfolgreich sein. Auch Mischformen sind denkbar; zum Beispiel das statische Modell im Picklager und die chaotische Variante im Vorratslager.

Lesetipp: Wie du deine Lagerkosten berechnest, zeigen wir dir in diesemen Beitrag.

Möchtest du unbedingt eine Antwort haben, dann können wir dir allerdings sagen, dass für Start-ups und Kleinstunternehmen ein Festplatzlager aufgrund des geringeren Verwaltungsaufwandes die richtige Wahl darstellt. Ein Shop, der stark wächst und expandiert, profitiert dagegen schnell von einem chaotischen Lager. Für deine perfekte Lösung ist die Beratung durch einen Profi wie Martin aber meistens die beste Idee.

„Die Lagerlogistik eines Unternehmens ist immer eine individuelle Herausforderung.“


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Worauf du bei einer Umstellung auf ein chaotisches Lager achten musst

Solltest du für dich nun zu der Entscheidung gekommen sein, dass es Zeit für ein dynamisches Lager wird, spielen zwei Faktoren eine entscheidende Rolle für eine gelungene Umstellung:

#1 Die Software

Wie wichtig ein effizientes ERP-System für ein funktionierendes chaotisches Lager ist, haben wir bereits mehrfach angesprochen. Denn im dynamischen Modell müssen deine Mitarbeiter:innen sich blind auf die Anweisungen der Software verlassen können. Wir empfehlen eine modular aufgebaute Lösung, die mit deinen Ansprüchen und deinem Unternehmen mitwächst.

#2 Deine Mitarbeiter:innen

Der Knackpunkt bei der Einführung eines chaotischen Lagers sind laut Martin meist die Mitarbeitenden. Denn allzu oft stößt du auf die berüchtigte Das-haben-wir-schon-immer-so-gemacht-Einstellung. Vor allem, weil die Vorteile der dynamischen Lagerhaltung nicht immer direkt offensichtlich sind. Warum ändern, was funktioniert und ein Risiko eingehen?

Hier heißt es also: offen kommunizieren, schulen und Überzeugungsarbeit leisten. Bewährt hat sich Martin zufolge ein Leader im Pick-Packer-Team: Wenn ein Mitarbeiter mutig vorweg geht, den Rest der Mannschaft mit seiner Begeisterung ansteckt und so ganz natürlich mitnimmt, werden viele Hemmnisse bereits im Vorfeld abgebaut.

„Für die erfolgreiche Einführung eines chaotischen Lagers braucht es einen überzeugten Leader.“


Dein Schritt Richtung Chaos

Wenn du mit deinem eigenen Unternehmen weiterhin wachsen und expandieren möchtest, führt an einer chaotischen Lagerhaltung also kaum ein Weg vorbei. Schließlich arbeitet das System deutlich flexibler als ein Festplatzlager, wächst mit den Anforderungen, verkraftet problemlos Sortimentsumstellungen und erlaubt die schnelle Einarbeitung neuer Lageristen. Die Alternative wäre eine Auslagerung des Fulfillment, aber das ist ein anderes Thema.

Damit bei der Umstellung alles klappt, stehen wir von Xentral zusammen mit unseren Partnern gerne zu deiner Verfügung – damit dein chaotisches Lager nicht doch in Chaostheorie endet.

FAQ - Häufig gestellte Fragen zum chaotischen Lager

Was ist chaotische Lagerhaltung?

Chaotische Lagerhaltung bezeichnet ein Lagersystem, bei dem Waren kein fester Lagerplatz zugewiesen wird. Stattdessen werden neu eintreffende Produkte an beliebigen freien Plätzen eingelagert.

Was sind die Vorteile der chaotischen Lagerhaltung?

Die größten Vorteile eines chaotischen Lagers sind: Bessere Lagerplatznutzung Schnellere Einlagerung von Neuprodukten Kürzere Einarbeitungszeit neuer Mitarbeiter:innen Schutz vor Gassenstörungen Ein chaotisches Lager arbeitet also wesentlich dynamischer als ein Festplatzlager.

Hat ein chaotisches Lager auch Nachteile?

Der größte Nachteil eines chaotischen Lagers ist die vollständige Abhängigkeit von einer Lagersoftware. Fällt diese aus oder wird falsch verwendet, kommt es fast zwingend zu Störungen im Lager.

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Elisabeth Büschler
Sie begeistert sich für innovative Brands und Content – und ist deshalb bei Xentral mit seinen mehr als 1.700 Startups und KMU goldrichtig. Ihr Antrieb ist es, die Xentral-Community mit hilfreichen Inhalten auf das nächste Business Level bringen.

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